Liebe Leserin! Lieber Leser!

Lebkuchen, Kekse und Pralinen haben zur Weihnachtszeit Hochkonjunktur. Wenn die Nächte lang und kalt werden, reagiert der Körper nicht selten mit einem verstärkten Verlangen nach Süßem und einem entsprechenden Wohl – gefühl darauf.

Wir sehnen uns von Kindesbeinen an nach süßen Nahrungsmitteln, schon die Muttermilch schmeckt süßlich und signalisiert, dass süße Nahrung bekömmlich ist. In Folge verbinden wir Zucker mit etwas Positivem, wir trösten oder belohnen andere und uns selbst gerne mit einer süßen Aufmerksamkeit. Und so verlangt unser Gehirn in bestimmten Situationen fast automatisch nach Süßigkeiten aller Art.

Dabei wird gerne vergessen, dass Zucker früher Mangelware und sein Genuss dem Adel vorbehalten war. Die Ernährungsforscherin Danielle Reed schreibt: „Abgesehen vom Honig waren hoch konzentrierte Süßigkeiten und süße Getränke bis vor kurzem nicht Bestandteil unseres Ernährungsplans.“ Erst mit der Züchtung der Zuckerrübe vor knapp 250 Jahren wurde Zucker so allgegenwärtig, dass wir ihn heute meist unreflektiert in großen Mengen konsumieren. Und so lässt sein unbedachter Verzehr den Status als kostbares Luxusgut von einst langsam verblassen und zum alltäglichen Konsumgut verkommen.

Schließlich gerät Zucker, Hauptakteur aller Naschereien, als „süßes Gift“ immer mehr in Verruf. Zucker wird heute mit Krankheitsanfälligkeit, Dekadenz und Disziplinlosigkeit assoziiert. Viele Produzenten versuchen daher, ihn durch alternative Süßungsmittel zu ersetzen oder den Zuckergehalt in ihren Produkten soweit wie möglich zu reduzieren. Diese Ent wicklung schlägt zum Teil wieder in ihr Gegenteil um, und vom Genuss von Stevia, Birkenzucker & Co wird seitens der Ernährungswissenschaft nicht selten abgeraten.

Dabei wird das Süßen an sich kaum in Frage gestellt. Besonders gerne macht die Kritik an der „unerkannten Droge“ Pause, wenn in der Vorweihnachtszeit medial die neuesten Keks-Rezepte im Fokus der Aufmerksamkeit stehen und sich Ernährungsmediziner plötzlich den gesundheitsfördernden Stoffen von Schokolade wie Serotonin und Dopamin widmen.

Für den Philosophen Robert Pfaller ist das ein deutliches Indiz für ein gestörtes Verhältnis zum Genuss. Wir hätten heute eine fast maßlose Selbstkontrolle entwickelt, die uns dazu brächte, „uns nichts zu gönnen und uns ständig vor allem zu fürchten.“ Zudem seien, laut dem Philosophen, Menschen von sich aus alles andere als genussorientiert und hedonistisch. Erst die Kultur könne ihnen dazu verhelfen, Dinge als Luxus anzusehen und zu genießen.

„Süßes ist und bleibt Luxus und sollte entsprechend verzehrt werden“, meint auch der Pâtissier Martin Studeny (siehe Seite 26), der mit seiner Zuckerbäckerkunst dafür sorgt, dass Süßes mit Fug und Recht als Luxus wahrgenommen werden kann. Wer sich – wie Studeny – näher mit der Herstellung von Pralinen, Torten, Macarons und Croissants beschäftigt, dem wird bald klar, dass es sich bei der Patisserie um eine Kunstform handelt, für die Vorstellungskraft, Leidenschaft und handwerkliches Geschick vonnöten ist.

„Man kann seine Seele damit glücklich machen“, meint Studeny, und Pfaller gibt ihm Recht. „Uns Momente kindlicher Unvernunft zu gönnen, sind die einzigen wirklichen Freuden und Triumphe, die wir im Leben haben.“

In diesem Sinne wünscht Ihnen das GASTRO-Team glückliche Feiertage und ein erfolg reiches neues Jahr!